Klarinettist:innen verbringen viel Zeit damit, Technik zu üben, Tonleitern zu perfektionieren und am Klang zu feilen. Doch dabei wird eines oft vergessen: Der Körper ist unser wichtigstes Instrument. Er beeinflusst, wie wir atmen, stehen, fühlen – und letztlich, wie wir klingen.
Ich habe mich schon früh mit Körperarbeit beschäftigt – zuerst im Grundstudium, später intensiv im Umgang mit Lampenfieber, Fehlhaltungen und Überlastungen. Heute sind Methoden wie die Alexandertechnik, die Franklin-Methode und die Ideokinese nicht nur ein Teil meines eigenen Übens, sondern auch meines Unterrichts. In diesem Beitrag zeige ich dir, wie du mit vier einfachen Übungen dein Körperbewusstsein verbessern und damit dein Klarinettenspiel spürbar verändern kannst.
Was ist Körperbewusstsein – und warum ist es so wichtig fürs Musizieren?
Körperbewusstsein bedeutet, den eigenen Körper in seiner Haltung, Bewegung und im Atemfluss wahrzunehmen – ohne zu kontrollieren oder zu bewerten. Wer bewusster spielt, spielt nicht nur gesünder, sondern oft auch klangvoller, freier und mit mehr Ausdruck.
Gerade bei Blasinstrumenten wie der Klarinette wirkt sich jede unnötige Spannung negativ auf Ton, Intonation und Atmung aus. Die gute Nachricht: Mit gezielten Übungen kannst du lernen, diese Spannungen zu erkennen und loszulassen.
Drei bewährte Methoden für Musiker:innen
1. Alexandertechnik – Loslassen, statt «richtig» machen
Die Alexandertechnik ist eine Methode der bewussten Bewegung. Sie hilft, überflüssige Spannung zu erkennen und durch achtsame Aufrichtung zu ersetzen. Statt «sich zusammenzureissen», geht es ums Zulassen: das Gewicht an den Boden abgeben, der Wirbelsäule Länge geben, den Kopf frei bewegen lassen.
Ich habe mehrere Jahre Alexandertechnikstunden genommen. Für mich war es eine Offenbarung: Ich musste nicht härter üben, sondern klüger mit meinem Körper umgehen.
Passende Übung: Die regenerative Ruhelage
Leg dich auf den Boden, z. B. auf eine Matte oder Decke. Winkle die Knie an, stelle die Füsse hüftbreit flach auf dem Boden auf. Die Hände liegen entspannt auf dem Unterbauch an den unteren Rippen. Der Kopf kann mit ein, zwei Büchern gestützt werden. Spüre, wie dein Körper die Unterlage berührt. Gib dein Gewicht bewusst ab. Atme durch die Nase entspannt ein und aus. Folge diesen Gedanken:
- Erlaube, dass dein Hals und Nacken rundum weich und frei sein kann
- Stelle dir vor, dass sich dein Rücken von Steissbein bis zum Kopf in die Länge und seitlich ausdehnt
- Stelle dir vor, dass deine Schultern und Hüften sich seitlich ausbreiten
- Erlaube deinen Füssen, sich auszudehnen und lang werden zu lassen
- Spüre, wie sich dein Brustkorb bei der Atmung bewegt
Geh mit der Aufmerksamkeit langsam durch deinen Körper – vom Kopf bis zu den Füssen. Wo kannst du noch loslassen? Nimm die Atmung wahr, ohne sie zu verändern. Diese Übung beruhigt dein Nervensystem und bringt dich in eine natürliche Aufrichtung zurück.

2. Franklin-Methode – Bewegung durch Bilder
Die Franklin-Methode verbindet Bewegung mit inneren Bildern. Mit einfachen Vorstellungen kannst du Muskelspannung lösen, Gelenke besser ausrichten und deinen Atemraum erweitern. Besonders spannend finde ich die Arbeit mit den Franklin-Bällen: Sie wirken aufs Bindegewebe und fördern das Spüren von Körperstrukturen, die im Alltag wenig Aufmerksamkeit bekommen.
Ich habe eine Ausbildung in der Franklin-Methode gemacht. Sie hält für Musiker:innen unglaublich viele Werkzeuge bereit.
Passende Übung: Fusssohlen ausrollen mit dem Franklin-Ball
Stelle dich mit einem Fuss auf einen Franklin-Ball (alternativ andere Bälle gehen auch) und rolle die Fusssohle langsam aus. Geh verschiedene Zonen ab: Fussballen, Mitte, Ferse, Innen- und Aussenkante. Spüre danach den Unterschied zwischen beiden Füssen. Vielleicht wirst du folgendes merken: Der ausgerollte Fuss steht stabiler, der ganze Körper richtet sich leichter auf.


3. Ideokinese – Bewegung durch Vorstellungskraft
Die Ideokinese nutzt innere Bilder, um Bewegungsmuster zu verändern. Es geht nicht darum, den Körper bewusst zu «korrigieren», sondern durch gezielte Imagination neue Bewegungsbahnen anzulegen.
Besonders bei der Atmung hilft die Ideokinese enorm – gerade, wenn du zu flach oder angespannt atmest.
Passende Übung: Das Zwerchfell als Lift
Stell dir dein Zwerchfell wie einen Aufzug vor:
– Beim Einatmen fährt es sanft nach unten und schafft Platz für Luft.
– Beim Ausatmen fährt es langsam nach oben und hilft, die Luft auszuleiten.
Diese einfache Vorstellung kann dir helfen, Spannung aus dem Bauchraum zu nehmen und die Atmung tiefer und effizienter werden zu lassen – ganz ohne forcieren.

Übung aus meiner Praxis: Atemräume im Rücken entdecken
Diese Übung mache ich oft mit meinen Schüler:innen. Sie ist eine einfache, aber sehr wirkungsvolle Möglichkeit, Atemräume zu spüren, Spannung loszulassen und sich neu aufzurichten.
So geht’s:
Stell dich hüftbreit hin, beuge dich langsam vornüber und lass Arme, Kopf und Oberkörper hängen. Atme ruhig weiter. Dann leg deine Handflächen auf den unteren Rücken (Flanken/Nierengegend). Spür, wie sich bei der Einatmung die Hände leicht heben. Nach ein paar Atemzügen rollst du dich langsam Wirbel für Wirbel wieder auf. Strecke dann die Arme nach oben, dehne dich, komm zurück in den Stand – und spüre nach.
Diese Übung hilft dir, deinen Atem tiefer zu führen, Rückenspannungen zu lösen und dich zentrierter und geerdeter zu fühlen – ideal vor dem Üben oder einem Auftritt.



Erfahrungen aus dem Unterricht – kleine Übungen, grosse Wirkung
Ich integriere solche Körperübungen regelmässig in meinen Klarinettenunterricht. Oft reicht schon eine kurze Sequenz, und die Schüler:innen merken selbst:
«Ich wusste gar nicht, dass ich so laut spielen kann.»
«Jetzt fühle ich mich viel ruhiger und konzentrierter.»
«Mein Klang ist viel voller!»
Der Körper hat einen direkten Einfluss auf Klang, Ausdruck und Spielfreude. Doch er ist auch ein Mysterium: Nicht jeder Tag ist gleich – und das ist okay. Mein wichtigster Rat lautet daher: Innehalten, wahrnehmen – immer wieder.
Übungen wie das Ausrollen der Füsse oder Atembilder können zu kleinen Ritualen im Alltag werden. Sie helfen dir, präsent zu sein – bei dir selbst und in der Musik.
Fazit: Dein Körper ist Teil deiner Klangqualität
Gutes Klarinettenspiel ist nicht nur eine Frage der Technik, sondern auch der Körperwahrnehmung. Alexandertechnik, Franklin-Methode und Ideokinese bieten kraftvolle Werkzeuge, um Verspannungen zu lösen, deine Atmung zu vertiefen und freier zu musizieren. Und das Beste: Schon ein paar Minuten täglich können einen Unterschied machen.
Probiere es aus – dein Körper (und dein Klang) werden es dir danken.
👉 Hast du eine der Übungen ausprobiert?
Schreib mir gerne, wie sie sich für dich angefühlt hat – oder buche eine Klarinettenlektion mit Fokus auf Körperarbeit. Ich begleite dich gerne auf deinem Weg zu mehr Leichtigkeit, Klang und Ausdruck.